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Fachwissen Brennpunkt Nahrung 2025

«Was die Gen Z will, wäre für alle ein Gewinn»

An der Fachkonferenz Brennpunkt Nahrung treffen sich verschiedene Persönlichkeiten. Darunter Unternehmer Yannick Blättler. Er versteht die Generation Z.

Brennpunkt Nahrung
Luzern, Schweiz

Das Interview ist in der Bauernzeitung am 25. August 2025 erschienen. Autorin Sera J. Hostettler

KRIENS Am 4. November startet das Programm der alljährlichen Fachkonferenz für Trends, Märkte und Management. Mit dabei ist einer, der die Generation Z – also junge Menschen, die (je nach Definition) zwischen 1997 und 2012 geboren sind – versteht. Wie ticken sie? Wie arbeiten sie? Was brauchen sie am Arbeitsplatz? Zu diesen Fragen hat Yannick Blättler einige Antworten. Er ist CEO der Firma Neoviso, die Unternehmen in diesen Belangen berät.

Yannick Blättler, in der Arbeitswelt treffen meist mehrere Generationen mit den unterschiedlichsten Hintergründen aufeinander. Die Einstellung zur Arbeit unterscheidet sich dabei oftmals relativ stark – wie können Unternehmen diese Differenzen überwinden?
Yannick Blättler: Es führt praktisch kein Weg an der Konfrontation vorbei. Reden, reden, reden heisst dabei das Zauberwort. Bedürfnisse ansprechen, gegenseitiges Verständnis aufbringen.

Das klingt so simpel.
Das stimmt – oftmals gestaltet sich dies in der Praxis als eine Herausforderung. Doch dafür braucht es eine starke Führungsperson. Für ein Unternehmen, aber auch für einen Landwirtschaftsbetrieb beispielsweise, ist der Gewinn einer Bedürfnisabklärung für eine harmonische Zusammenarbeit von grosser Bedeutung.

Dann geht es also vor allem um Bedürfnisse. Was will die Generation Z denn? Ist das Erklimmen der klassischen Karriereleiter für sie heute überhaupt noch ein Ziel?
Diese Generation will einer sinnorientierten Arbeit nachgehen. Sie brauchen eine psychologische Sicherheit. Ob es auf der Leiter nach oben geht oder nicht, ist ihnen weniger wichtig. Ihr Fokus liegt vielmehr auf der Entwicklungsmöglichkeit innerhalb einer Arbeitsstelle. Der prestigeträchtige Karrierejob hat bei vielen an Bedeutung verloren, zudem ist der finanzielle Nutzen davon auch weniger gross als früher. Junge Leute wollen sich selber einmal weiterentwickeln, bevor sie an Verantwortung und neue Stufen denken.

Früher teilte die Gesellschaft das allgemeine Verständnis, dass Arbeitnehmer möglichst lange beim selben Unternehmen angestellt sein sollen, um Erfahrungen zu sammeln und der Firma gegenüber Loyalität aufzubringen. Von welchem Wert ist diese Haltung heute noch?
Die unzähligen Möglichkeiten, die sich auf dem Arbeitsmarkt anbieten, verlocken junge Leute heute natürlich viel schneller dazu, den Job zu wechseln. Alles ist flexibel, vergleichbar und verfügbar. Der Faktor Loyalität bleibt, wird von jungen Arbeitskräften aber anders bewertet. 


«Diese Generation will einer sinnorientierten Arbeit nachgehen. Sie brauchen eine psychlogische Sicherheit. Ob es auf der Leiter nach oben geht oder nicht, ist ihnen weniger wichtig.»

Yannick Blättler


Anhand der Daten, die Sie mittels Umfragen und in Fokusgruppen erheben, stellen Sie Trends fest. Wie lange bleiben junge Arbeitnehmende heute durchschnittlich beim selben Arbeitgeber?
Das ist nach wie vor sehr unterschiedlich. Allerdings geben ungefähr 50 % der Befragten an, ein bis drei Jahre beim ersten Arbeitgeber bleiben zu wollen.

Haben die Arbeitgebenden den Fakt akzeptiert, dass die Gen Z früh weiterzieht, oder gibt es aktive Bestrebungen, junge Leute länger angestellt zu halten?
Ja, da laufen durchaus Bestrebungen – auch bei kleineren Unternehmen. Sie haben mittlerweile keine andere Wahl, als zuzuhören. Wer nicht agil bleibt und die Jungen abholt, verliert Fachkräfte, denn das Angebot an Jobs ist heute gross.

Der Gen Z wird oft nachgesagt, fauler zu sein als ältere Generationen. Warum kursiert dieser Ruf und was sagen Sie dazu?
Davon halte ich nicht viel. Ich gehe davon aus, dass schon unseren Eltern nachgesagt wurde, fauler zu sein als ihre Grosseltern. Es mag sein, dass die Jungen heute mehr Anreize, mehr Wertschätzung und einen attraktiveren Kontext brauchen, um Gas zu geben, aber das ist per se ja nichts Negatives.


«Der prestigeträchtige Karrierejob hat bei vielen an Bedeutung verloren.»

Yannick Blättler


Wo liegen ihre Stärken im Arbeitskontext?
Die Generation Z ist eine hinterfragende Generation. Das ist eine Eigenschaft, die einem Unternehmen oder auch einem Landwirtschaftsbetrieb nützlich sein kann. Sie traut sich, ungemütliche Dinge anzusprechen, die ein Unternehmen dadurch weiterbringen können. Junge Arbeitnehmerinnen sind flexibel, haben einen Sinn für Nachhaltigkeit und Diversität, sind technisch affin und halten weniger von der traditionellen Hierarchie.

Die Gen Z ist also eine Generation, die über ihre Bedürfnisse spricht. Das kommt nicht bei allen gut an. Aber eigentlich könnten auch ältere Generationen von dieser Offenheit profitieren, oder?
Ganz klar. Deshalb ist es gut möglich, dass bei diesen anfänglichen Konfrontationen auch Neid in der Gleichung mitschwingt. Die Jungen wollen nicht mehr arbeiten bis zum Umfallen – sie nehmen sich gewisse Privilegien heraus. Das ist für Babyboomer beispielsweise Neuland. Aber was die Jungen wollen, wäre für alle ein Gewinn: über Bedürfnisse sprechen, flexiblere Arbeitsmodelle, psychische Gesundheit.

Wie stehen Sie denn zur Idee der Work-Life-Balance? 
Da werden vonseiten Unternehmen kritische Stimmen laut. Kritiker dieses Konzepts sind nicht ehrlich zu sich selber. Eine gewisse Balance zu haben, ist wichtig. Wenn das Gleichgewicht kippt, liegt ein Führungs- oder Kontrollproblem vor.

Laut neusten Zahlen des Bundesamts für Statistik lösten im Jahr 2023 25,8 % der jungen Männer ihren Lehrvertrag auf. Bei den Frauen lag der Wert bei 22,4 % – so hoch wie noch nie. Berücksichtigt in den Daten ist mehrheitlich die Generation Z. Wie interpretieren Sie diese hohen Werte?
Dazu müssen wir zwei Perspektiven einnehmen. Zuerst hat sich der Kontext definitiv verändert: Es ist eine Generation, die im Zeitalter von Polykrisen aufwächst. Das schlägt in Kombination mit Social Media auf die psychische Gesundheit. Mentale Herausforderungen bei jungen Generationen haben zugenommen und über die Hälfte macht sich Sorgen um ihre mentale Gesundheit.
Die andere Perspektive ist der veränderte Arbeitsmarkt: Es sind mehr Lehrstellen offen, als junge Leute suchen – sie haben also Optionen.
Drittens wächst die Gen Z mit dem Lehrsatz auf: Hauptsache glücklich sein. Wenn die Lehre also nicht passt, sind alternative Wege leicht verfügbar. Es ist schön, dass diese Optionen bestehen, aber ärgerlich für Arbeitgeber.

Eine allgemeine Empfehlung für Betriebe da draussen?
Ich stelle fest, dass viele Unternehmen und Betriebe noch genau die gleiche Kultur und Führungsstile haben wie vor 20 Jahren. Unternehmen müssen sich weiterentwickeln, sonst werden sie nicht genügend Leute rekrutieren und halten können.

Ihre Kontaktperson

Barbara Kretz

Barbara Kretz

Kongressleiterin

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